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Donnerstag, 25. Juni 2015

Ushba, Mönch und Jungfrau








120 km Bergstrasse, den majestätischen Ushba sehen und zurück





Dass Touristen heute die Bergwelt des oberen Swanetien besuchen und ganze Schulklassen dort hinauf gekarrt werden, ist nachvollziehbar. Denn die Landschaft und der Weg dorthin sind imposant, gigantisch und atemberaubend. Der Weg ist lang. Die Strecke Bern – Zürich auf einer anfangs guten, dann schlechter werdenden und zuletzt kaum mehr befahrbaren Strasse zurückzulegen ist ein Abenteuer. Weit unten der reissende Fluss, Felswände, Tunnels, abrutschende Steinhänge, sich plötzlich auftuende Hochebenen, kaum mehr Dörfer. 
Dass sich aber dort hinten, wo nur ein kurzer Sommer den Schnee für eine Weile wegschmelzt, schon vor vielen Jahrhunderten Menschen angesiedelt haben, ist nicht unbedingt naheliegend. Und ihr Leben muss auch aus einem weiteren Grund nicht pures Honigschlecken gewesen sein. Sie wurden nämlich oft von den Nordkaukasen (wer immer das war) angegriffen und beraubt. Da muss der Weiseste unter ihnen auf die Idee gekommen sein, Wehrtürme zu bauen, so dass man sich vor den räubernden Eindringlingen in Schutz bringen konnte. Samt Tieren und Vorrat. Clever. Und die Tiere haben von unten die oberen Stockwerke beheizt. Ökologisch-energietechnisch clever. Man hat dann auch noch einen Kübel voll Pech mitgenommen, den man von zuoberst auf allzu aufdringliche Eindringliche herabschütten konnte. So ist der ganze wunderbare hinterste Talkessel voller solcher Wehrtürme. Alles klar?
Mir nicht. – Ich versuche mir das alles genauer vorzustellen: Als erstes eben frage ich mich, warum man sich diesen Ort zum Leben aussucht, wo man mehr als die Hälfte des Jahres vom Winter und zusätzlich in den eigenen Türmen eingeschlossen ist. Zweitens frage ich mich, warum denn diese Nordkaukasen den beschwerlichen Weg über die Berge (das sind 3-, 4- und gar 5-Tausender) auf sich genommen haben, um denen drüben ein paar Schafe zu klauen (Kosten-Nutzen-Analyse eines Raubganges...). Drittens bezweifle ich, dass diese Wehrtürme so schwer zu knacken waren. Lassen sich die Türen nicht so einfach eintreten wie aus den billigen Filmen bekannt? Klar, jetzt kommt die Sache mit dem Pech. Aber hatten die oben denn so riesige Pechvorräte und dazu Schnellbrüter, dass das Pech floss wie der Bergbach nebenan? Oder waren sie so perfekt im Zielen und im Timing, dass jeder Joghurtbecher ein Treffer war? Und wenn. Seit die Armeen Panzer haben, gibt es die Panzerabwehr, seit sie Flugzeuge einsetzen, gibt es die Flugzeugabwehr. Also müssten doch die Angreifer zur eigenen Verteidigung die Pechabwehr, eine Art Pechbaldachin, entwickelt haben. Unter dessen Schutz hätten sie in aller Ruhe an der Zahlenkombination der Turmtür herumtüfteln können. Dann wäre es auch nicht aufs Verhungern-Spiel hinausgelaufen. Wer verhungert zuerst, die drinnen, wenn sie ihr letztes Schaf, nach welchem der Feind gierig trachtet, gegessen haben, oder die draussen, wenn diesen die nordkaukasischen Trockenfleisch-und Vodkavorräte ausgegangen und ihre russischen Schlafsäcke nur noch Eistüten sind?
Wie war denn das Zusammenleben in den Türmen in den Zeiten der Belagerung? Wie wurde die Not- und wie wurden andere Dürftnisse gehandhabt? Lebten die Männer wie Mönche und und zupften zur Unterhaltung die drei Saiten des Lauteneigenbaus, die Frauen nutzten als Jungfrauen die Zeit zum Spinnen, und die Kinder lagen angebunden in ihren aufgehängten Krippen?
Lassen wir es bei den geschichtlichen Informationen: Clever und praktisch, wie die alle das gemacht haben.
Zurück zum heutigen Tourismus: Der Weg bis Mestia (80 km) ist trotz vereinzelten Steinschlägen gut zu machen, und die letzten 40 km bis Ushguli sind tückischer, aber in 2½ Stunden mit Vierradantrieb zu bewältigen. (Einheimische Kleinbus-Cracks schaffen es mit Zweiradantrieb und 15 Touris an Bord in 2 Stunden.)

Die Bilder:


Erster Übernachtungsplatz: