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Mittwoch, 3. Juni 2015

Papageien und andere Heilige












„We are in the Lori Land...“





Wie unterschiedlich doch die verschiedenen Städte Armeniens sind! Da war im Süden Goris mit seinen dunkeln, schweren Steinhäusern, eine Stadt, die zwischen dem möndänen Yerevan und dem aufgepäppelten Stepanakert vergessen geht – oder Sevan, die Stadt der verlotterten Mietkasernen, wo die Strassen aus mehr Löchern als Asphalt bestehen, das aber als einzige Attraktion seinen grossen, kalten See hat, wo die Jungs baden und die Männer die Autos waschen.
Oder dann Vanadzor, das im Vergleich das Gefühl einer Wohlstands-Stadt vermittelt. Hier gibt es dem Boulevard entlang ein Jazz-Café, „teure“ Kleiderläden, verschiedene Müesli- und Olivensorten im Angebot, eine Weinhandlung, Coiffeur- und Kosmetikgeschäfte und CD-Shops.








Vanadzor liegt in der nordöstlichen Provinz Lori. Das Tal, das von hier abwärts zur georgischen Grenze führt, heisst im Reiseführer „Tal der Klöster“, für mich eher „Rochdale“, weil es stark an die nordenglischen Täler von Yorkshire erinnert. Beidseitig grüne, schroffe Hänge, die Talsohle teilen sich der Fluss, die Eisenbahn und die Strasse, und ehemalige oder immer-noch Anlagen von Bergbau (Kupfer) und Schwerindustrie komplettieren das Bild der Naturlandschaft.










Etwas versteckter befinden sich dieser Strecke entlang einige alte Klöster. Eines davon, Akhatala, nach Führer eine armenisch-georgisch-russische Koproduktion, möchte ich als würdigen Abschied meiner Armenienreise als Übernachtungsplatz ausküren. Im Schosse Marias... Dunkle, fast schwarze Basalt-Quader, ein Wehrturm davor, uneinnehmbar auf steiler Anhöhe gelegen – doch drinnen erscheint mir nicht Maria, sondern eine frivol angezogene gay-group blickt selig-verlockend auf mich herab. Hinter dem Kloster geniesst einer von seinem ausbruchsicheren Grab aus den Blick auf die gegenüberliegende Kupfermine. Eine weltliche Frau fragt auf dem kleinen Parkplatz nach Zigaretten. Ich gebe ihr eine Schweizer Schokolade – und, oh Graus, oh Wonne, sie lässt sie in ihrem Ausschnitt zwischen den Brüsten verschwinden. Sicher ist sicher.




Und ich verlasse Armenien heute, es ist nur noch ein kleines Stück nach Georgien, welches ich vielleicht erreiche, bevor die Praliné-Schoggi im armenischen Busen jämmerlich geschmolzen ist.
So könnte die Erinnerung an Armenien, und das wäre auch zutreffend, nicht nur eine harte und steinige sein, sondern ebenso eine zarte und weiche.