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Freitag, 17. April 2015

Heavy bikes und heavy tits





Akdere – ein unscheinbares Dorf. Oberhalb der neuen Küstenstrasse am Fusse der steilen Abhänge gelegen. Frauen sitzen zu zweit oder zu dritt vor den Häusern, die Männer sitzen wie eine grosse Krähenschar dichtgedrängt unter dem Vordach der Dorfkneipe.




Aber etwas macht dieses Dorf besonders. Überall stehen schwere Motorräder herum. Akdere ist das Dorf der Motorradrennfahrer. Da sieht man Maschinen von unschätzbarem Wert in Vorhöfen oder einfach am Strassenrand stehen.



Der Bäcker spricht mich an. Er möchte mir ein Brot verkaufen. Erst danach ist er bereit, mir Auskunft zu geben. Hier sei das ganze Dorf verrückt nach Motorrädern. Das sei schon immer so gewesen. Wer nicht Rennfahrer sei, sei Mechaniker oder Designer. Dort drüben – er zeigt auf die Ü50-er vor der Kneipe – sässen ein paar echte Champions. Die meisten seien Spezialisten für Seitenwagengespanne. Daran seien eigentlich die Frauen schuld. Vielen sei es zu langweilig geworden, nur die Boxen-Katze zu spielen. Sie wollten mitmachen. Da sich aber die Männer schwer taten mit dem Gedanken, dass die Frauen gegen sie antreten würden, sei man auf die Lösung mit den Frauen als Co-Pilotinnen gekommen. Und auch wenn sich nach einem Sieg vor allem der Mann und Fahrer als Sieger feiern lasse, sei es doch schon oft eine Frau gewesen, die durch ihr tollkühnes Hinauslehnen in den Kurven den Sieg ermöglicht habe. „Weisst du, bei hohem Tempo in der Kurve brächten wir Männer zu wenig Gewicht in den Seitenwagen, aber wenn eine Frau alles in die Kurve wirft (er macht eine verschmitzte Andeutung von Brüsten), weisst du, bei 140km/h wenige Zentimeter über dem rauen Asphalt (wieder die Andeutung von Brüsten, diesmal von hängenden), dann ist das für uns wie…“ Den Schluss verstehe ich nicht mehr, da in diesem Moment der Muezzin von schräg gegenüber überlaut in die Ausführungen hineinplärrt.





Da wird getüftelt und an jedem Detail gefeilt. Geld scheint dabei kein Thema zu sein. – Wie sollen die Lamellen des Zylinders am optimalsten geformt sein? Wie baut man eine grössere und leistungsstärkere Batterie elegant in die Maschine ein? Wie lässt sich das High-Tech-Gerät für einfache Botengänge umnutzen?






Ausserhalb des Dorfes befindet sich der Start- und Zielraum der Heimstrecke mit der Boxenstrasse und den neuen Gebäuden für VIP-Logen und Reporterkabinen.



Die Cracks und ihre Bienen sind sich nicht zu schade, mal kurz aufzuhocken und mir ein Bildchen zu ermöglichen. Danke Mehmet, danke Aishe und Gürkhan!




Heute – das grosse Rennen sei erst im Herbst – herrscht in Akdere die übliche Ereignislosigkeit. Wenn es nicht ums Anstehen an einem Schalter geht, sind die Türken ja friedliche und brave Menschen. Die Sonne haben sie gratis, und den Tee auch fast.

Ob dieser Beschaulichkeit könnte es dem Reisenden fast langweilig werden. Wärme, blauer Himmel, blaues Meer, Tomaten, Gurken, Weissbrot, Bier, Ziegen und felsige Berge. Es macht dich dumm oder weise. Du spürst aber den Unterschied nicht – beides fühlt sich an wie Glück. Du kneifst dich in den Arm und sagst: „Ja, es ist.“ Oder du phantasierst, das Beobachten lässt dich Witze erfinden: „Wie finden sechs Türken in einem kleinen Toyota Platz? – Kein Problem, die drei Männer sind schlank!“ Oder: „Wie viele Airbags hat dieser Toyota? – Sechs, jede Frau hat zwei.“ Dumm oder weise? (Dummerweise wahr.)